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Fabian Mahrt – eiskalte Forschung fürs Klima

Prix Schläfli 2021 Geowissenschaften

Sein Forschungsgebiet sind kleinste Teilchen mit grosser Wirkung: Prix-Schläfli-Preisträger Fabian Mahrt hat untersucht, unter welchen Bedingungen Russ Eispartikel bildet. Den Apparat für die innovativen Versuche musste er sich zuerst bauen.

Prix Schläfli 2021: Fabian Mahrt
Bild: Giuseppe J. Crescenzo

Astrid Tomczak-Plewka

Man könnte sagen, Fabian Mahrt schwebt in den Wolken. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Wolken – ja. Schweben –nein. Der 30-Jährige forscht in einem Gebiet, das die öffentliche Debatte beherrschte, bis es von der Corona-Pandemie vom Spitzenplatz verdrängt wurde: dem Klimawandel. «Ich habe mich schon früh für Klimaschutz interessiert», sagt er. Allerdings nicht nur das: Sprachen, Naturwissenschaften, Geografie – er konnte sich als Gymnasiast für vieles begeistern.

Nach der Matura legte er ein Zwischenjahr ein, arbeitete im Supermarkt und bereiste Südostasien – danach war er reif für die ETH. Er war zum Schluss gekommen, dass Umweltnaturwissenschaften mit Einblicken in Chemie, Biologie, Physik und Ökonomie seinen vielfältigen Interessen am besten entsprechen würde. «Ich habe die verschiedenen Themen auf mich einprasseln lassen», erinnert er sich. Eine Einführungsvorlesung zu «Atmosphäre und Klima» bezeichnet er als «Schlüsselerlebnis», das fortan seine akademische Karriere bestimmen sollte. «Mich hat von Anfang an fasziniert, wie aus kleinsten Partikeln Eiskristalle und Wolken entstehen und sie damit das Klima beeinflussen können.» Es mag in Laienohren paradox klingen, aber Eiskristalle können tatsächlich zu einer Erwärmung des Erdklimas führen: Sie sind nämlich unter anderem dafür verantwortlich, dass Zirruswolken dicker werden und weniger Wärmestrahlung in den Weltraum entweichen lassen.

In seiner Masterarbeit auf Teneriffa untersuchte Mahrt Mineralstaub mit einem Aerosol-Massenspektrometer. Während Aerosole mineralischer Herkunft – also etwa aus Saharastaub – relativ gut erforscht sind, bestehen grössere Wissenslücken bei Russ aus Verbrennungsprozessen. Diese Lücke wollte der junge Forscher in seinem Doktorat an der ETH zu schliessen helfen, und zwar indem er in Eiskammern, wo Temperatur und Feuchtigkeit reguliert werden können, die Eiswolkenbildung auf Russpartikeln simulierte.

Da die Partikel in der Atmosphäre «altern», musste er zwei Kammern mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen koppeln. In der ersten Kammer wird simuliert, wie das Aerosol in der Wolke aufgenommen wird, und dort Eispartikel oder flüssige Wolkentropfen bildet. Diese so prozessierten Aerosole werden in eine zweite Eiskammer geleitet, wo untersucht wird, wie die gealterten Russpartikel die Bildung von Wolken beeinflussen. Die Kopplung der zwei Eiskammern war eine technische Herausforderung. «Ich brainstormte mit den Technikern von früh bis spät», sagt Fabian Mahrt. Schliesslich entwickelten sie ein Strömungsrohr, dessen Temperatur kontrollierbar ist, und wo die Wolkenpartikel während des Transports ihren Aggregatszustand wechseln. Rund zwei Jahre hat es gedauert, bis er mit diesem «Wolkenprozessierungsprojekt» am Ziel war.

«Ich will immer unbedingt wissen, was rauskommt»

Trotz Rückschlägen – wenn etwa ein Instrument kaputt ging –war Aufgeben für ihn keine Option: «Ich will immer unbedingt wissen, was rauskommt». Rausgekommen ist, dass sowohl die spezifischen Eigenschaften von Russpartikeln sowie die mikrophysikalischen Umgebungsbedingungen eine «entscheidende Rolle» bei der Wolkenbildung spielen und sich damit auch aufs Klima auswirken, wie Fabian Mahrt’s Mentorin Ulrike Lohmann im Empfehlungsschreiben für den Prix Schläfli festhält. «Der Preis ist auch eine Anerkennung fürs Team», sagt Mahrt. «Es würde mich freuen, wenn ich mit meiner Arbeit einen Beitrag leisten konnte, auf dem andere aufbauen können.»

Seit Januar 2020 ist Fabian Mahrt mit einem Forschungsstipendium der Europäischen Union an der University of British Columbia in Vancouver. Dem jungen Forscher blieb wenig Zeit, sich einzuleben: Nach 2 Monaten kam der Lockdown auch in Kanada. Mittlerweile hat sich der leidenschaftliche Fussballer mit der Situation arrangiert, geht Joggen, statt dem Ball nachzujagen und erkundet die Natur rund um Vancouver. Sein Stipendium ist auf drei Jahre angelegt, wobei er das dritte am Paul Scherrer Institut absolvieren wird. Darauf freut er sich: «Als ich aus Zürich wegging, habe ich mein warmes Nest und mein soziales Umfeld verlassen», sagt er. Doch es hat sich gelohnt: «Ich kann hier neue Erfahrungen sammeln.» «Und es ist toll, dass ich die Chance bekomme, nach meinem Aufenthalt in Vancouver mit diesem gefüllten Rucksack in der Schweiz weiter wissenschaftlich arbeiten zu dürfen.»

Dazu gehört

PreisträgerInnen Prix Schläfli 2021 (von links oben nach rechts unten): Gregor Weiss, Fabian Mahrt, Claudia Aloisi, Gabriel Dill

Prix Schläfli 2021 für die vier besten Dissertationen in den Naturwissenschaften

Der körpereigene Schutz vor Harnwegsinfektionen, eine neue Methode zur Quantifizierung und Bestimmung von Erbgutschäden, Beweise in der so genannten diophantischen Geomeotrie und die Frage, wie Russ aus Verbrennungsprozessen die Bildung

Bild: M. Feldmüller, G. J. Crescenzo, ETH Zürich / N. Pitaro, M. Bosshard

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