Gleichberechtigte Wissenschaftskooperation weltweit
Positionspapier der Deutschen UNESCO-Kommission
Exzellente Wissenschaft ist Grundvoraussetzung für die ökologische, soziale und ökonomische Transformation, die aufgrund globaler Krisen nötig ist. Dies gilt insbesondere für Länder mit mittlerem oder niedrigem Einkommen, da dort die lokalen Auswirkungen globaler Krisen sowie mögliche Lösungsansätze selten hinreichend gut untersucht sind. Internationale Wissenschaftskooperation ist für diese Länder unerlässlich, da ihre eigenen Haushaltsmittel für Wissenschaft meist sehr niedrig sind. Auch UN-Institutionen haben kaum Fördermittel für Wissenschaft, und multilateral vereinbarte Forschungsagenden beeinflussen die bilaterale Kooperation zu wenig. Internationale Wissenschaftskooperation muss gleichberechtigt organisiert werden. Diese Norm ist völkerrechtlich abgesichert und wird zudem in jüngster Zeit immer nachdrücklicher gefordert und auch differenzierter operationalisiert; Beispiele sind der „TRUST Code“ und die „Africa Charter“. Auch die deutsche Wissenschaftspolitik und -förderung hat diese Norm unzweideutig anerkannt; fast alle einschlägigen Grundsatzpapiere fordern seit Jahren das Prinzip der „Augenhöhe“ – also eine Kooperation unter gleichberechtigten Partnern. Dafür gibt es neben dem Gerechtigkeits-Argument mindestens fünf weitere Argumente: 1. Stärkung der Länder mit mittlerem oder niedrigem Einkommen in ihrer Fähigkeit zu Problemlösung und Transformation, 2. höhere Effizienz, 3. Stärkung einer regelbasierten globalen Zusammenarbeit, 4. Aufbau von Vertrauen und gegenseitigem Verständnis, sowie 5. bessere Positionierung im „Wettbewerb“ mit anderen Ländern um Kooperationspartner. Kooperationen gleichberechtigt durchzuführen bleibt dennoch zu oft nur ein Lippenbekenntnis, Gleichberechtigung wird bislang selten konsequent praktiziert. Dieses Positionspapier macht konkrete Vorschläge, um Gleichberechtigung in Förderrichtlinien und Ausschreibungen der deutschen Wissenschaftsförderung tatsächlich zu operationalisieren. Dies gilt für Grundlagen-, genauso wie für anwendungs- und problemorientierte Forschung in allen Disziplinen; der Fokus liegt auf der problemorientierten Forschung. So soll die internationale Wissenschaftskooperation mit Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen tatsächlich stärker gleichberechtigt ausgestaltet werden. Um dies zu erreichen, präsentiert dieses Positionspapier Impulse auf drei Ebenen. Erstens empfiehlt das Positionspapier sowohl auf einer kulturellen als auch strukturellen Ebene mehr Offenheit für plurale Formen des Wissens und Wissensträger/innen. Dies umfasst gelebte Pluralität in Begutachtung und Qualitätssicherung wie auch Strukturen des gemeinsamen Agenda-Settings bereits bei Ausgestaltung von Förderlinien und Ausschreibungen. Ein wichtiger Hebel für mehr Pluralität ist ferner die Stärkung von Institutionen und Förderstrukturen in den Partnerländern. Zweitens empfiehlt das Positionspapier der deutschen Regierung und den deutschen Förderorganisationen, in WTZ-Abkommen und nationalen Strategien auch Interessen der Partnerländer stärker zu berücksichtigen und gleichberechtigte Wissenschaftskooperation in Förderlinien und Ausschreibungen explizit aufzunehmen, zum Beispiel entlang der hier gemachten Impulse. Es soll dadurch besser möglich werden, Anträge gemeinsam zu formulieren und Pluralität von Wissen und Wissensträger/innen sicherzustellen; Projektzyklen zu verlängern und Projekte flexibler anzupassen; institutionelle Stärkung förderfähig zu machen und Mittelweitergabe an Partner zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen; und schließlich, gleichberechtigte Projektverantwortung und die Verknüpfung von Partnerländern untereinander möglich zu machen. Drittens empfiehlt das Positionspapier, Forschenden in Projekten die Aushandlung und Festlegung gleichberechtigter Rollen und Zuständigkeiten zu ermöglichen, den wissenschaftlichen Publikationsprozess gleichberechtigt zu organisieren, und Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation, insbesondere mit Blick auf (lokale) Wirksamkeit, zu überdenken.