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Von Selbstläufern und Bremsklötzen in der Energiewende

ProClim Flash 77

Text: Urs Neu, Leiter Erweiterte Energiekommission und Stv. Leiter ProClim

Urs Neu Portrait
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Jahrelang, ja jahrzehntelang ging es nur schleppend vorwärts mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, einem der unabdingbaren Pfeiler jeder Netto-Null-Treibhausgas-Politik in der Schweiz. Die Wirtschaft, und nicht zuletzt auch die grossen Energieproduzenten, setzten lange das Augenmerk vor allem darauf, bestehende Geschäftsmodelle so lange wie möglich und so gut wie möglich noch auszuschöpfen. Dies betrifft vor allem die Stromproduktion mit Pumpspeicherkraftwerken über Mittag, wenn der Verbrauch am grössten und die Preise am höchsten sind, und das Hochpumpen mit billiger nächtlicher Bandenergie aus Kern- und Laufwasserkraftwerken. Es war ja absehbar, dass die damit erzielten hohen Gewinne aus den Pumpspeicherkraftwerken zu Ende gehen würden, sobald genügend Solarstrom zur Verfügung steht, um die Mittagsspitze abzudecken. Nachdem in Deutschland die Solarstromproduktion mit grossem Mitteleinsatz gefördert worden war und Solarstrom mit zunehmender Massenproduktion immer günstiger wurde, war diese Entwicklung jedoch endgültig nicht mehr aufzuhalten. Allerdings erkannte nur einer der grossen Energieversorger in der Schweiz relativ rasch die Zeichen der Zeit und krempelte sein Geschäftsmodell radikal um und setzte ganz auf die Solarenergie mit dem Angebot eines Rundumpakets inklusive Planung, Bau, Wartung und Betrieb. In anderen Konzernen und in der breiten Wirtschaft, aber auch in der Politik dauerte es deutlich länger. Wenn man die aktuellen Geschäftszahlen der Konzerne vergleicht, bestätigt sich einmal mehr, was auch ökonomische Studien klar zeigen: Bei technischen Veränderungen stehen Vorreiter praktisch durchwegs besser da als Nachzügler.

Es gibt in diesem Zusammenhang auch Transformationen, die ab einem gewissen Punkt praktisch von selbst ablaufen. «Tipping Points» gibt es also nicht nur beim Klima, sondern auch in der Wirtschaft und Gesellschaft. Damit sich ein technologischer Wandel durchsetzt, muss der Punkt erreicht werden, an dem der Wandel von einer Technik zur anderen so klar wird, dass die betreffenden Firmen nicht (mehr) darum herumkommen, die neue Entwicklung zu antizipieren. Und dann geht es schnell: Denn dann geht es nur noch darum, sich im neuen Feld so rasch als möglich zu positionieren und die Kundschaft zu sichern. So geschehen bei der Elektromobilität. Der technologische Wandel wird quasi zum Selbstläufer und braucht keinen Antrieb mehr. Das Erreichen des Tipping Points kann dabei durch die Politik beschleunigt werden, wenn klar definiert wird, in welche Richtung es gehen soll und entsprechende Signale gesetzt werden. Solche Entwicklungen funktionieren dort am schnellsten, wo die gleichen Firmen sowohl das alte wie auch das neue Produkt herstellen. Wie in der Autoindustrie. Am schwierigsten wird es dort, wo mit dem alten Produkt eine ganze Industrie durch eine andere ersetzt wird, und erstere – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – die Umstellung mit allen (politischen) Mitteln hinauszuzögern versucht. So wie bei der Umstellung von fossiler Energie auf Solar- und Windenergie. Hier braucht es politische Regelungen, vor allem wenn die Umstellung rasch vonstatten gehen soll. Allerdings sollte hier nicht nur die Förderung der neuen Technik im Fokus stehen, sondern auch das Auslaufen der alten Technik beachtet werden. Dies betrifft insbesondere den «schwächsten» Teil eines Betriebs, nämlich die Arbeitskräfte. Diese müssen früher oder später eine neue Tätigkeit suchen, die auch mit Ausbildung und Umschulung verbunden ist. Da können entsprechende Angebote, insbesondere im Zusammenhang mit den neuen Technologien, gefördert werden, z.B. durch finanzielle Unterstützung und Information. Den irgendwoher müssen die Fachkräfte für die neuen Technologien kommen.

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