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Auf der Suche nach dem kleinen Unterschied

Experiment am PSI nimmt die Eigenschaften des Neutrons mit ganz besonderem Equipment unter die Lupe

Bernhard Lauss neben dem magnetischen Abschirmraum des n2EDM-Experiments, das im nächsten Jahr die Suche nach dem elektrischen Dipolmoment des Neutrons aufnehmen wird.
Bild: G.Bison/PSI

In einer Forschungshalle am Paul-Scherrer-Institut steht der beste magnetische Abschirmraum der Welt. Nicht das kleinste (elektro-)magnetische Signal darf dort eindringen, um das Experiment nicht zu stören, das darin stattfinden soll: das Experiment „n2EDM“. Wenn es loslegt, was für nächstes Jahr geplant ist, wird es das elektrische Dipolmoment des Neutrons (unter-)suchen. Damit will es einem der grössten Rätsel der Physik auf die Spur kommen: warum wir überhaupt existieren.

Eigentlich müsste es Bruchteile einer Sekunde nach dem Urknall Materie und Antimaterie in gleicher Menge gegeben haben. Heute ist aber nur Materie übrig. Was ist mit der Antimaterie passiert? Wo liegt der Schlüssel für unsere Existenz? Schon allerkleinste Abweichungen von Berechnungen zu den Teilchen-Eigenschaften könnten Hinweise auf bisher unbekannte Physikphänomene im Universum bringen. Verschiedene Experimente auf der ganzen Welt haben sich darauf spezialisiert, durch extrem präzise Messungen nach kleinen Abweichungen zu theoretischen Vorhersagen zu suchen und daraus auf Unterschiede zwischen Teilchen und Antiteilchen zu schliessen. Eins davon ist n2EDM.

Die rund 50 Forschenden aus 14 Institutionen, die am n2EDM-Experiment beteiligt sind, suchen eine bestimmte Eigenschaft des elektrisch ungeladenen Neutrons: sein elektrisches Dipolmoment (EDM), also das Mass für den Abstand zwischen positiver und negativer elektrischer Ladungsverteilung innerhalb des Teilchens. Eigentlich wollen sie nachsehen, ob es überhaupt existiert. Denn das Neutron sollte nur ein unmessbar kleines Dipolmoment haben, wenn das Standardmodell der Teilchenphysik stimmt. Aus vielen neuen Theorien, die die Materie-Antimaterie-Asymmetrie im Universum erklären wollen, ergibt sich allerdings als Konsequenz, dass das Neutron doch ein EDM haben muss – allerdings sollte es nach diesen Theorien extrem klein und daher extrem schwierig zu messen sein. Die höchste Empfindlichkeit hatte bisher das Vorgänger-Experiment, nEDM, das zwar kein EDM im Neutron gefunden, aber daher einen neuen Grenzwert gesetzt hat. Die neue Apparatur n2EDM ist nochmal um eine Grössenordnung empfindlicher, auch wegen eines neuen, sehr viel besseren magnetischen Abschirmraumes.

Die Neutronen, die die Forschenden untersuchen wollen, müssen extrem stark abgebremst werden, so dass sie ultrakalt, also sehr langsam sind. Wenn man ihre Energien mit den Protonen vergleicht, die im Large Hadron Collider am CERN kreisen, liegen sie 21 Grössenordnungen darunter – „mit knapp sieben Metern pro Sekunde sind unsere Neutronen so langsam, das man nebenherlaufen könnte“, sagt Bernhard Lauss, einer der beiden Sprecher des n2EDM-Experiments. Denn: Wenn Neutronen so langsam sind, können sie das Material nicht mehr durchdringen und lassen sich in speziellen Materialflaschen einsperren. Diese Eigenschaft macht sich das Experiment zunutze, um die Neutronen lange – das heisst über drei Minuten – beobachten zu können. Eine Quelle für ultrakalte Neutronen wurde eigens am PSI aufgebaut. Diese Quelle produziert eine sehr hohe Intensität an ultrakalten Neutronen, um die Messung mit hoher Statistik zu ermöglichen und so eine sehr hohe Sensitivität zu erzielen.

Die Neutronen werden einem extrem präzise vermessenen magnetischen Feld ausgesetzt, in dem sie präzedieren, das heisst sie bewegen sich wie kleine Kreisel um die eigene Achse . Wenn sich in einem zusätzlich angelegten elektrischen Feld kleinste Abweichungen von dieser Präzession zeigen, würde dies ein direkter Hinweis darauf sein, dass das Neutron ein EDM hat. Die Genauigkeit ist nahezu unvorstellbar hoch: wenn wir uns vorstellen, dass das Neutron so gross wäre wie die Erde, würde die Abweichung verursachende Ladungstrennung im Vergleich weniger als eine Haaresbreite ausmachen.

Damit das Experiment überhaupt funktioniert, dürfen die gespeicherten Neutronen keinem magnetischen und elektrischen Störsignal von aussen ausgesetzt werden. Ein vorbeifahrendes Fahrzeug mit seinem (winzigen) Magnetfeld würde die Messungen beeinflussen . Alle eingesetzten Materialien müssen deshalb absolut unmagnetisch sein, sogar Beschriftungen könnten ein kleines Magnetfeld erzeugen, das die Messung stören würde. Bevor das Experiment losgeht, muss deshalb alles, was sich in, an oder um die Neutronenkammer befindet genauestens auf magnetische Verunreinigungen überprüft werden, damit die jeweiligen Stör-Magnetfelder eliminiert werden. „Das hat uns viele Monate gekostet“, erzählt Lauss. „Es ist sehr aufwändig, jeden einzelnen Schritt in der Produktion der Apparatur magnetisch zu scannen.“

Der magnetische Abschirmraum selbst ist ein Würfel mit ca. fünf Metern Seitenlänge und sieben Abschirmlagen, in denen 50 Tonnen Material verbaut sind, unter anderem ein System aus Magnetspulen von über fünf Kilometern Kabel, um die einzelnen Lagen zu entmagnetisieren. Aussen herum wurde ein Spulensystem mit etwa 55 Kilometern Kabel aufgebaut, um Störungen von aussen – wie zum Beispiel die vorbeifahrenden Autos - zu kompensieren. In einer weiteren Kammer im Innern soll dann die Messung an den ultrakalten Neutronen geschehen. Bisher lag der gemessene Wert für das elektrische Dipolmoment des Neutrons bei 0, mit dem winzigen statistischen Fehler von 1,1 x 10-26 e cm (was beutet, dass die Messgenauigkeit extrem hoch ist). n2EDM soll diese Messgenauigkeit um einen weiteren Faktor 10 erhöhen um in den Bereich von jüngeren theoretischen Vorhersagen zu kommen. „Wir witzeln immer herum, dass wir maximalen Aufwand betreiben, um am Ende 0 zu messen“, sagt Lauss. Aber vielleicht kommt ja auch etwas anderes als 0 heraus...

Weitere Informationen: https://www.psi.ch/de/nedm

Barbara Warmbein

Video by CNRS about n2EDM (in French) “Enquête aux origines de la matière“

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