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«Technologien für netto null sind einsatzbereit und bezahlbar»

Carte Blanche für Anthony Patt, ETH Zürich

04.04.2022 – Die Kosten für grüne Technologien sind in den letzten zehn Jahren um etwa 85 Prozent gesunken. Um die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren sowie langfristiges und nachhaltiges Wirtschaftswachstum sicherzustellen, müssen Investitionen in diese Technologien von der Politik stärker gefördert werden.

Carte Blanche / Anthony Patt
Image: ETHZ

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors wieder und muss nicht mit der Haltung der SCNAT übereinstimmen.

Die Berichte des Weltklimarates scheinen immer das Gleiche zu sagen: Der Klimawandel ist ernst, schlimmer als in den Jahren zuvor, und wir tun nicht genug, um ihn aufzuhalten. Eines steht fest: Die Treibhausgasemissionen müssen sehr schnell sinken, wenn wir katastrophale Folgen vermeiden wollen – bis 2030 auf etwa die Hälfte des derzeitigen Niveaus und bis 2050 ganz auf null. Während frühere Berichte diese Aufgabe für unmöglich zu halten schienen, liefert der in dieser Woche veröffentlichte 3. Teil des sechsten Sachstandsberichtes des Weltklimarates IPCC eine umfassende Analyse zu möglichen Klimapolitiken, mit denen der Ausstoss von Treibhausgasen erfolgreich gesenkt werden kann. Die Forschenden beschreiben darin sowohl die dafür notwendigen technischen Massnahmen als auch die Regierungspolitiken, die es für deren Einführung braucht.

Die gute Nachricht ist: Die Technologien, die wir benötigen, um die Treibhausgasemissionen auf null zu senken, sind nicht nur vorhanden, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht konkurrenzfähig. Die Kosten für Wind- und Solarenergie sowie für Elektroautos sind in den letzten zehn Jahren um etwa 85 Prozent gesunken, so dass all diese Technologien mit fossiler Energie konkurrieren können. Die wirtschaftlichen Prognosemodelle deuten darauf hin, dass eine vollständige Umstellung auf kohlenstofffreie Technologien im Wesentlichen keine negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben wird, sondern es dieses sogar steigern könnte. Dies ist besonders für Entwicklungsländer wichtig, wo das Wirtschaftswachstum eine hohe Priorität hat und über Leben und Tod entscheidet.

Infrastruktur ausbauen anstatt Steuern erheben

Heute wissen wir besser, mit welchen staatlichen Massnahmen wir Investitionen in grüne Technologien herbeiführen können. Jahrzehntelang glaubte man, dass die Regierungen dazu hohe Steuern – etwa in Form von Lenkungsabgaben – auf Kohlenstoffemissionen erheben müssten. Dies stand jedoch im Widerspruch zur politischen Realität, da die Menschen diese Steuern nicht wollten – weshalb auch die Regierungen zögerten sie einzuführen. In den letzten zehn Jahren konnte beobachtet werden, welche anderen Massnahmen, die politisch mehrheitsfähig sind, die Dekarbonisierung der Gesellschaft vorantrieben. Als wirksam erwiesen sich vor allem Massnahmen, die auf die Transformation von grösseren Systemen abzielten. So kann beispielsweise in Städten durch geeignete Infrastrukturen etwa im Verkehr der Energiebedarf wesentlich gesenkt werden. Weiter gilt es, Schlüsseltechnologien, zum Beispiel Batterien zur Speicherung von Energie, zeitlich begrenzt finanziell zu fördern. Wir sehen auch, dass zu einem späteren Zeitpunkt zusätzlich Vorschriften und Verbote für fossile Technologien politisch durchsetzbar werden – vor allem dann, wenn sich klimafreundliche Alternativen durchgesetzt haben und als erschwinglich angesehen werden.

Mehr in Klimaschutz investieren

Die Emissionstrends sehen heute besser aus als noch vor zehn Jahren. So sind in 24 Ländern, vor allem in Europa, die Emissionen nun schon seit einem ganzen Jahrzehnt rückläufig. Weltweit gesehen waren sie 2019 jedoch höher als je zuvor. Laut IPCC-Bericht müssten diese vor 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben, wenn wir die globale Erwärmung auf 1,5 °C begrenzen wollen. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten die jährlichen Investitionen in kohlenstofffreie Technologien sowie in Massnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz in Europa mindestens um den Faktor zwei und in den Entwicklungsländern um den Faktor vier bis sieben steigen. Positiv ist, dass diese Investitionen jetzt wirtschaftlich attraktiver geworden sind als weitere Investitionen in Infrastruktur, die auf fossilen Brennstoffen basieren.

Die Gesellschaft muss hart arbeiten, um die drohende Klimakrise aufzuhalten. Es wird ein Marathon – und die harte Arbeit, die Emissionen auf null zu bringen, liegt noch vor uns. Vor zehn Jahren schien es, als sei die Gesellschaft nicht einmal in der Lage, diesen Marathon zu laufen. Die Erkenntnisse aus dem neuesten Klimabericht zeigen, dass sich dies geändert hat: Die Gesellschaft ist fit geworden für dieses Rennen, sie hat sich aufgewärmt und ist nun bereit loszulegen. Wir können Netto-Null-Emissionen erreichen, und es wird uns sogar wirtschaftlich und gesellschaftlich stärker machen, als wir es jetzt sind. Es ist an der Zeit loszulaufen.

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Anthony Patt ist Professor für Klimapolitik am Institut für Umweltentscheidungen der ETH Zürich. Zurzeit fungiert er als koordinierender Hauptautor im Bereich Klimapolitik für den sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC.

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