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Erfolg von Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen muss solider werden

Carte Blanche für Janet Hering, Direktorin EAWAG

17.10.2022 – Der Erfolg von Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen stellt Rollenklischees in Frage und hat Missgunst und Widerstand zur Folge. Erfolg beruht einerseits auf persönlicher Anstrengung und Leistung, andererseits spiegelt er eine Anpassung an das wissenschaftliche Machtgefüge und die Unterstützung durch andere wider. Die Erkenntnis, dass Erfolg systembedingte und kollektive Faktoren hat, ist zwingende Voraussetzung dafür, dass der Erfolg von Frauen solide sein kann.

Janet Hering
Bild: Eawag

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder und muss nicht mit der Haltung der SCNAT übereinstimmen.

Ist eine Frau erfolgreich, wenn sie eine wissenschaftliche Führungsposition erlangt? Dies wird oft so gesehen, reicht aber meiner Meinung nach nicht. Der Erfolg wird nämlich geschmälert, wenn eine weibliche Führungskraft ihre Position vorzeitig oder unfreiwillig verlässt oder aber es nicht schafft ihre wichtigsten Ziele zu erreichen. Der Ausdruck ‘gläserne Klippe’ beschreibt die Beobachtung, dass Frauen (oder Angehörige von Minderheiten) Führungspositionen angeboten bekommen, wenn die Aussichten auf Erfolg bestenfalls unsicher sind. Fälle wie die kurze Amtszeit von Prof. Denise Denton als Rektorin der Universität von Kalifornien, Santa Cruz, und die folgenden, tragischen Schlussfolgerungen zeigen die enorme Feindseligkeit gegenüber Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen. Aktuelle, vielzitierte Berichte über die Unzulänglichkeiten von Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen haben Fragen nach Gender-Bias und Diskriminierung sowohl in der Berichterstattung über solche Fälle als auch in der institutionellen, systembedingten Unterstützung, die grundlegend für den individuellen Erfolg in Führungspositionen ist, aufgeworfen. Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen sollten sich bewusst sein, dass Erfolg vergänglich und Lösungen unsicher sein können.

Erfolg im Kontext

Erfolg ist nie nur das Resultat von individueller Anstrengung und Leistung, sondern geschieht immer in bestimmten Kontexten und Systemen. Systembedingte Faktoren beeinflussen den Erfolg von Männern ebenso wie von Frauen. Anders als Männer, müssen Frauen ihre Erfolge jedoch in einem wissenschaftlichen System erzielen, das von Rollenklischees und geschlechtsspezifischen Erwartungen geprägt ist. Beispielhaft sei hier die Exklusivität von wissenschaftlichem Erfolg und die Besetzung von Gruppenleiterpositionen mit nur einer einzigen Person genannt. Dies lässt sich schwer mit gemeinschaftlich orientierten Charaktereigenschaften vereinbaren, die Frauen zugeschrieben werden. Da diese Normen den Aufstieg von Männern befördern, müssen Frauen (und Angehörige von Minderheiten) systembedingte und institutionelle Faktoren, die Erfolg behindern oder beeinträchtigen können, viel stärker berücksichtigen.

Diversität bringt Erfolg

Um soliden Erfolg in einer wissenschaftlichen Führungsposition zu erlangen, müssen Frauen ihre eigenen Führungsziele klar formulieren und deren Umsetzungspotenzial im Wissenschaftssystem verstehen. In einem kürzlich erschienenen Beitrag auf dem Blog 500 Women Scientists Fribourg-Bern habe ich acht Fragen für Frauen formuliert, die vor dem Antritt einer wissenschaftlichen Führungsposition stehen: (1) Was möchten Sie in Ihrer wissenschaftlichen Führungsposition erreichen? (2) Mit welchen Einschränkungen werden Sie sich auseinandersetzen müssen? (3) Welche Ressourcen stehen Ihnen zur Verfügung? (4) Welche Kompromisse gehen Sie ein, um Ihrer neuen Verantwortung gerecht zu werden? (5) An wen können Sie sich wenden, wenn Sie Ratschläge oder Unterstützung brauchen? (6) Was sind die Ansatzpunkte für Veränderung in Ihrer Organisation? (7) Wie werden Informationen in Ihrer Organisation weitergegeben? und (8) Wie ist das formelle und informelle Machtgefüge in Ihrer Organisation?

Ich bin überzeugt, dass es für den soliden Erfolg von Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen mehr als individuelle Lösungen braucht. Wie die Feministin Carol Hanisch schrieb: “Es gibt keine individuellen Lösungen… Es gibt nur kollektive Taten für eine kollektive Lösung” (“There are no personal solutions... There is only collective action for a collective solution.”) Frauen in der Wissenschaft teilen viele Bedenken, die von jungen Forschenden benannt werden und bringen sich zudem in zahlreichen Initiativen ein, um das Wissenschaftssystem inklusiver, unterstützender und nachhaltiger zu gestalten. Die steigende Geschlechterdiversität hat zu Forschungsideen geführt, die neuartiger und von grösserer Wirkung sind. Ich bin davon überzeugt, dass mehr Diversität in wissenschaftlichen Führungspositionen entscheidend ist, um den zukünftigen Erfolg von Wissenschaftseinrichtungen zu sichern.

Dieser Text beruht auf dem Webinarbeitrag mit dem Titel “I did it! Experiences from leading scientists” , Webinar #8 in der Serie “Achieving Gender Equality and Diversity in the Natural Sciences”. Zur Aufnahme

Den Originaltext auf Englisch mit Referenzen finden Sie hier.

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Janet Hering is the Director of the Swiss Federal Institute of Aquatic Science & Technology (Eawag), Professor of Environmental Biogeochemistry at the Swiss Federal Institute of Technology, Zürich (ETHZ) and Professor of Environmental Chemistry at the Swiss Federal Institute of Technology, Lausanne (EPFL).

Übersetzt ins Deutsche von Maike Gaertner.

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